Grundsteuer-Wahnsinn in Mitteldeutschland und was Sie darüber wissen müssen: Die "MDR Umschau" (!) berichtet in einem Beitrag vom 04.09.2024 über den Grundsteuer-Wahnsinn in Mitteldeutschland.
Grundsteuer-Wahnsinn in Mitteldeutschland
In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen liegen bereits mehr als 929.000 Einsprüche gegen die neuen Grundsteuerbescheide vor, wie eine Abfrage der "MDR Umschau" bei den Finanzministerien der Länder ergab.
Kritiker der Grundsteuerreform halten die Berechnungen der Finanzämter für zu kompliziert und Teile der Grundsteuerreform sogar für verfassungswidrig.
Christiane Cichy berichtet in in ihrem MDR-Filmbeitrag über Ungereimtheiten und Widersprüche bei Eigentümern und Vermietern in Moritzburg im Landkreis Meißen und der Stadt Chemnitz.
Die "Grundsteuerrebellen" in Sachsen
Zu den Kritikern der aktuellen Grundsteuerreform, die sich jetzt zur Wehr setzen, gehören auch die "Moritzburger Grundsteuerrebellen", deren Sprecher Torsten Küllig ist. Zu den Grundsteuerrebellen - wie sie sich selbst nennen - gehören inzwischen mehr als 30 Grundstückseigentümer aus der Gegend um Dresden und Meißen.
Was die sächsischen Grundstückseigentümer eint, die neuen Bewertungen der Finanzämter haben wenig mit dem tatsächlichen Verkehrswert ihrer Grundstücke zu tun.
Die sächsischen Finanzämter setzen häufig Gartenland, unbebaubare Hanggrundstücke, Schutzgebiete oder gar Forstflächen als Bauland an. Schuld daran sind häufig die zuständigen Gutachterausschüsse, die die Bodenrichtwertzonen falsch abgrenzt haben. Die Finanzämter übernehmen diese Daten dann ohne zusätzliche Prüfung oder Korrektur.
Torsten Küllig sein Grundstück liegt in zweiter Reihe, in unmittelbarer Nähe des Schlosses Moritzburg. Vor einigen Jahren hatte Torsten Küllig das 2.663 m² große Gartengrundstück für 33.000 Euro gekauft.
Nach Auffassung des Finanzamtes Meißen soll sein Grundstück nun 851.900 Euro wert sein.
Bisher zahlte er rd. 40 Euro Grundsteuer im Jahr. Wenn der Hebesatz der Gemeinde so bleibt wie bisher, soll er ab 01.01.2025 dann das 60-fache an Grundsteuer bezahlen, nämlich 2.392,14 Euro im Jahr. Grundsteuer-Wahnsinn.
Vor einigen Jahren hatte man den Menschen im Land noch versprochen, die Grundsteuerreform werde "aufkommensneutral" sein. 2018 hatte der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Diskussion bei Haus & Grund tatsächlich gesagt: "Ich versichere Ihnen, dass es nicht zu einem höheren Steueraufkommen kommen wird." Heute sehen viele, was sein damaliges Versprechen wert war.
Steuerexperten halten das Bundesmodell für verfassungswidrig
Der Freistaat Sachsen wendet das sogenannte Bundesmodell (mit einigen Änderungen und Steuersatzerhöhungen um 100 % für Nichtwohngebäude wie Wohn- und Geschäftshäuser, Gewerbegrundstücke und sonstige bebaute Grundstücke (bspw. Datschen)) an. Für diese Grundstücksarten liegt die Steuermesszahl bei 0,72 Promille doppelt so hoch wie bei Wohngrundstücken (0,36 Promille).
Das "Bundesmodell" wurde vom heutigen Bundeskanzler und damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im Jahr 2019 ersonnen.
Das Bundesmodell gilt derzeit in elf Bundesländern, darunter eben auch in Mitteldeutschland (insbesondere Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt).
Das Bundesmodell wurde schon früh von Steuerexperten wie bspw. Prof. Dr. Gregor Kirchhof, der an der Universität Augsburg den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht inne hat, als besonders kompliziert kritisiert. Es seien für die Bewertung eine ganze Reihe von Parametern relevant, darunter die Wohnfläche, das Baujahr, Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszinssatz aber beispielsweise auch Restnutzungsdauer, Abzinsungsfaktor und Bodenwert.
Andere Bundesländer nutzen demgegenüber deutlich einfachere Modelle. Baden-Württemberg bspw. bezieht nur den Grund und Boden in die Steuer ein. Das Bundesmodell zieht demgegenüber auch die Bebauungen mit ein.
Näheres zum Bundesmodell und den neuesten Entwicklungen finden Sie übrigens in meinem Blog hier.
Bewertung bleibt für Steuerzahler sehr intransparent
Auch der Vorsitzende des Grundeigentümerverbandes Haus und Grund Dresden Christian Rietschel kennt sehr viele umstrittene Fälle. Gegenüber dem MDR kritisiert er, dass es für Steuerzahler sehr häufig nicht nachvollziehbar sei, wie die Bodenrichtwerte überhaupt zustande kommen. Denn die Arbeit der Gutachterausschüsse bleibt, laut Sächsischer Gutachterausschussverordnung (SächsGaVO), weitestgehend geheim. Auch würden die Mitglieder der Gutachterausschüsse nicht gewählt, sondern von der jeweils zuständigen Verwaltung (Landkreis bzw. Stadt) bestimmt.
Aus eigener Erfahrung und als jahrzehntelanges Mitglied (jetzt Ex-Mitglied) einiger Gutachterausschüsse kann ich berichten, dass es bei der Auswahl der ehrenamtlichen Mitglieder sehr intransparent zugeht. Es ist anzunehmen, dass es häufig bei der Bestellung nicht um Fachwissen oder Erfahrungen bei den ehrenamtlichen Mitgliedern geht, sondern um Mitläufertum und Opportunität gegenüber der Leitung. Kritiker, die auf eine vernünftige und ordentliche fachliche Arbeit der Gutachterausschüsse hinweisen bzw. drängen, werden in Sachsen häufig nicht mehr bestellt oder gehen freiwillig.
Und so sinkt die Qualität der Ergebnisse der Gutachterausschussarbeit immer weiter. Auch dazu werde ich demnächst noch einige Blogbeiträge hier veröffentlichen. Es wird bspw. dabei um die Qualität der von den Gutachterausschüsse vorgelegten statistischen Auswertungen gehen, insbesondere um die sog. "Regressionsanalyse" und das sog. "Bestimmtheitsmaß" entsprechender Datenauswertungen.
Der Steuerzahler darf es gleich doppelt bezahlen. Einmal hat er die Kosten der Gutachterausschüsse zu tragen und ein weiteres Mal wird er mit häufig falschen Grundsteuerbeträgen "gesegnet".
Bedingungen für Steuerzahler unzumutbar
Der Steuerexperte Prof. Gregor Kirchhof hält die genannten Bedingungen, um einen Gegenbeweis zu führen, für nicht zumutbar:
"Es ist nicht an den Steuerzahlern, einen vergeblichen Versuch zu starten, ein verfassungswidriges Gesetz irgendwie in ein zumutbaren Maß zu bringen. Das wird sowieso nicht gelingen. Es ist am Gesetzgeber und nicht an den Menschen, das Gesetz zu korrigieren."
Ähnlich sieht es der Vorsitzende von Haus und Grund Dresden, Christian Rietschel:
"Die Finanzverwaltung legt Mondpreise fest und der Bürger soll auf eigene Kosten nachweisen, dass es Mondpreise sind. Das ist ein Unding. Wenn dann muss derjenige, der die Preise festlegt, beweisen, wie es dazu gekommen ist. "
Hier der vollständige Beitrag des MDR:
Hinweis: Bitte klicken Sie im Video auf: "Auf Youtube ansehen". Der MDR hat leider die Rechte eingeschränkt.
Die Grundsteuerrebellen geben nicht auf
Gestern (09.10.2024) trafen sich die Moritzburger Grundsteuerrebellen in Dresden am Elbufer zu einem gemütlichen Lagerfeuer mit regem Gedankenaustausch.
Auch ein MDR-Team mit Christiane Cichy war mit der Kamera vor Ort. Einen Filmbericht wird es darüber voraussichtlich im Magazin "Plusminus" in der ARD am 23. Oktober 2024, 21:45 Uhr geben. Ich werde auch davon hier berichten.
Wer mit den Grundsteuerrebellen aus Moritzburg Kontakt aufnehmen will, schreibt bitte eine E-Mail an die Grundsteuerrebellen.
ARD Magazin Plusminus vom 23.10.24 berichtet über Grundsteuer-Wahnsinn
Das ARD Magazin Plusminus berichtet in einem Filmbeitrag über den Grundsteuer-Wahnsinn in Deutschland. Auch kommen die Grundsteuerrebellen aus Sachsen und Moritzburg und deren Sprecher Torsten Külling zu Wort. Sehen Sie den aktuellen Beitrag von Plusminus hier:
Weitere Informationen zu Grundsteuer aus unserem Blog
Neuregelungen Grundsteuer
Allgemeine Informationen zu den Neuregelungen bei der Grundsteuer und die aktuellen Entscheide der Finanzgerichte finden Sie hier:
Nachweis Grundsteuer per Gutachten
Welche Anforderungen an Gutachten und Gutachter zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes für Zwecke der Grundsteuer bestehen, lesen Sie hier:
Die Quellen dieses Beitrages liegen hier beim MDR, der Sächsischen Zeitung hier sowie eigene Recherchen und Meinungen des Autors.
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