Öffentliche Bestellung versus Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024 1

Öffentliche Bestellung versus Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024

Häufig wird von Anwälten und von öffentlich bestellten Sachverständigen die Auffassung verbreitet, dass nur öffentlich bestellte Sachverständige für bestimmte Immobilienbewertungsaufgaben (Gerichte, Ehescheidungen etc.) „zugelassen“ sind. Dem muss man mit aller Härte entgegen treten.

Qualitätssicherungssysteme im Sachverständigenwesen in Deutschland

Öffentliche Bestellung versus Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024

Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit der Einführung des § 36a Gewerbeordnung (GewO) dazu entschieden, in Deutschland zwei Qualitätssicherungssysteme auf gesetzlicher Grundlage zu etablieren. Im Bereich des Sachverständigenwesen für Immobilienbewertung sind dies die „öffentliche Bestellung“ und die „Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024“.

Beide Systeme beruhen auf gesetzlicher Grundlage. In beiden Systemen werden die Sachverständigen von einer unabhängigen und anerkannten Stelle (Kammer bzw. DAkkS-akkreditierte Zertifizierungsstelle) geprüft und überwacht. Insoweit sind beide Systeme gleichwertig.

Das AkkStelleG geht jedoch noch einen Schritt weiter. Hier wird nicht nur der Sachverständige überwacht, sondern auch der Zertifizierer und dessen Zertifizierungssystem. Vom System her geht die Zertifizierung einen Schritt weiter als die öffentliche Bestellung.

In Deutschland sind deshalb die öffentlich bestellten und die nach der DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen in allen neueren Gesetzen (z. B. Bewertungsgesetz (BewG), Investmentgesetz (InvG), Pfandbriefgesetz (PfandBG) und Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV)) und allen Verordnungen gleichgestellt worden. So z. B. auch bezüglich des Anspruchs auf Auskunft aus der Kaufpreissammlung in den Gutachterausschussverordnungen der Bundesländer. In einzelnen Gesetzen (z. B. § 404 ZPO) steht diese Gleichstellung noch aus.

Auch die Finanzverwaltung der Bundesländer (obersten Finanzbehörden der Länder) hat bspw. mit den gleichlautenden Erlassen „Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts; Berücksichtigung von Sachverständigengutachten zum Nachweis eines niedrigeren Grundbesitzwerts“ vom 20.12.2020 eine Gleichstellung festgestellt:

„Die Finanzverwaltung hält weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen, der über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewertung von Grundstücken verfügt, erbringen kann (siehe u. a. R B 198 Absatz 3 Satz 1 ErbStR 2019). Dies sind Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind.“      

(Weitere Informationen zu den gleichlautenden Erlassen finden Sie in unserem Beitrag dazu.)

Im Freistaat Sachsen ist auch eine Gleichstellung erfolgt. So regelt die Kommunale Verwaltungsvorschrift Grundstücksveräußerung (VwV) bspw. in Abschnitt 4 Nr. 1 die Gleichstellung von öffentlich bestellten und von einer akkreditierten Zertifizierungsstelle gemäß DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen.

Auch Gerichte können nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierte Sachverständige beauftragen

In einer Entscheidung des Landgerichts Hechingen heißt es, dass eine Zertifizierung, erfolgt sie nach dem Standard DIN EN ISO/IEC 17024, ein der öffentlichen Bestellung vergleichbarer Sachkundenachweis darstellt und diesem gleichzusetzen ist (LG Hechingen, Beschluss vom 19.07.2017, Az. 1 OH 19/15).

(Weitere Informationen zur Entscheidung des Landgerichts Hechingen finden Sie in unserem Beitrag dazu.) 

Wie steht es mit der Qualifikation eines zertifizierten Sachverständigen?

Der zertifizierte Sachverständige muss gegenüber der nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Zertifizierungsstelle seine fachliche und persönliche Kompetenz nachweisen. Dies geschieht meist über Ausbildungsnachweise, Zeugnisse oder Arbeitsproben, die der Antragsteller der Zertifizierungsstelle vorlegen muss. Nach Erfüllung der Eingangsvoraussetzungen muss sich der Sachverständige einer oder mehrerer Prüfungen stellen, um auch dort sein Fachwissen nachzuweisen. Nach der Zertifizierung überwacht die Zertifizierungsstelle den Kandidaten durch Arbeitsproben, Weiterbildungsnachweise oder andere Maßnahmen. Nach 5 Jahren ist regelmäßig eine Rezertifizierungsprüfung zu absolvieren, da die Zertifizierung befristet ist. Dies garantiert, dass der gemäß DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierte Sachverständige von seinem Niveau und von der Aktualität seines Fachwissens höchsten Ansprüchen genügt.

Bei der öffentlichen Bestellung findet nach der Berufung de facto keine Überwachung der Sachverständigen mehr statt. Es werden von den Kammern tlw. Weiterbildungsnachweise und Arbeitsproben verlangt. Aber eine Wiederholungsprüfung mit dem Nachweis eines aktuellen Fachwissens findet nicht statt.

Oft wurde in der Vergangenheit auch gerügt, dass die Verfahren bei der öffentlichen Bestellung von Sachverständigen von Kammer zu Kammer variieren und stark von Sachbearbeitern und Prüfern abhängen.  Fehlende Vorgaben und Normen bei der Zulassung und die fehlende Kontrolle einer kontinuierlichen Weiterentwicklung führen in der Praxis dazu, dass die Qualität der öffentlich bestellten Sachverständigen stark differiert und die öffentliche Bestellung gerade keine Garantie für ein qualifiziertes Gutachten ist.

Die hohen Anforderungen der DIN EN ISO/IEC 17024 garantieren demgegenüber einen kompetenten und fachlich hoch qualifizierten Sachverständigen. Gerichte und Auftraggeber können deshalb mit gutem Gewissen einen von einer akkreditierten Zertifizierungsstelle nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen beauftragen, denn hinter dieser geschützten Bezeichnung steht ein hohes Maß an Kompetenz und aktuellem Fachwissen.


Unsere qualifizierten Produkte der Immobilienbewertung

Was Sie auch noch interessieren könnte...

IHK Gewerbemietspiegel Chemnitz 2018

IHK veröffentlicht Gewerbemietspiegel 2018 für den Kammerbezirk Chemnitz

Die IHK Chemnitz veröffentlicht nun zum zweiten Mal einen Gewerbemietspiegel für die kreisfreie Stadt Chemnitz sowie die Landkreise Mittelsachsen und Zwickau, den Erzgebirgskreis und den Vogtlandkreis. Für 71 Gemeinden sind nun Orientierungswerte für Gewerbemietpreisverhandlungen verfügbar.

Auf 104 Seiten werden in dem Gewerbemietspiegel Chemnitz 2018 für folgende Gemeinden Gewerbemieten ausgewiesen:

Adorf/Vogtland, Annaberg-Buchholz, Aue, Auerbach/Vogtland, Bad Elster, Brand-Erbisdorf, Burkhardtsdorf, Burgstädt, Chemnitz, Crimmitschau, Crottendorf, Döbeln, Eibenstock, Elsterberg, Eppendorf, Flöha, Frankenberg, Frauenstein, Fraureuth, Freiberg, Glauchau, Halsbrücke, Hartmannsdorf, Hohenstein-Ernstthal, Johanngeorgenstadt, Kirchberg, Langenbernsdorf, Lengenfeld, Leubsdorf, Lichtenstein, Lichtentanne, Limbach-Oberfrohna, Lößnitz, Markneukirchen, Marienberg, Meerane, Mittweida, Mulda, Netzschkau, Neukirchen/Erzgebirge, Neukirchen/Pleiße, Niederfrohna, Niederwiesa, Oberlungwitz, Oederan, Oelsnitz/Erzgebirge, Oelsnitz/Vogtland, Olbernhau, Pausa-Mühltroff, Penig, Plauen, Pockau-Lengefeld, Reichenbach im Vogtland, Rosenbach/Vogtland, Roßwein, Scheibenberg, Schneeberg, Schöneck, Schönheide, Schwarzenberg , St. Egidien, Stollberg, Thermalbad Wiesenbad, Treuen, Waldenburg, Weischlitz, Werdau, Wildenfels, Wilkau-Haßlau, Zwickau und Zwönitz.

Welche Datenbasis liegt dem Gewerbemietspiegel Chemnitz 2018 zugrunde?

Die IHK Chemnitz schreibt in den Erläuterungen zum Gewerbemietspiegel Chemnitz 2018:

„Grundlage für den Gewerbemietspiegel sind belastbare Angaben wie Vertragsabschlüsse regionaler Marktteilnehmer aus den Jahren 2016 und 2017. Damit wird dem Ziel Rechnung getragen, den Mietpreis ohne Beeinflussung durch Wunschmieten abzubilden.

Der Mietspiegel ist eine einfache Mietpreissammlung. Dadurch können alle vorliegenden Daten berücksichtigt und Orientierungswerte für eine größere Anzahl an Kommunen ausgewiesen werden. Der Umfang der Angaben variiert je Gemeinde.

Ergänzt werden die Mietpreisangaben u. a. durch standortbezogene Informationen und Checklisten zur Unterstützung bei der Wahl von Gewerberäumen.“

Die Ausgabe des IHK Gewerbemietspiegels für den Kammerbezirk Chemnitz steht leider nicht als Download und leider auch nicht kostenlos zu Verfügung. Der Gewerbemietspiegel Chemnitz 2018 kann hier als Druckexemplar für 20,00 Euro bestellt werden.

Die Datengrundlage des Gewerbemietspiegels der IHK Chemnitz ist regelmäßig sehr dünn (vor allem in kleinen Gemeinden sind nur einzelne Mietangaben Grundlage) und die Spannenangaben darin sind meistens sehr groß. Deshalb greifen wir bei uns im Büro auf zahlreiche weitere Gewerbemietsammlungen zurück und kaufen auch Daten bei Datendienstleistern wie Geoport, on-geo, Sprengnetter und IndustrielPort. Wenn Sie qualifizierte Gewerbemieten für Ihr Grundstück oder ein Gewerbemietwertgutachten benötigen, sprechen Sie uns einfach an.

Der BVS und die verschlafene Digitalisierung 2

Der BVS und die verschlafene Digitalisierung

Das tut im Jahr 2018 schon weh: Der Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e. V. (BVS) und mit ihm ihr Vizepräsident Bernhard Bischoff  beklagen in einer Pressemitteilung vom 02.07.2018 den Verfall der guten Sitten. Immer mehr Kunden der Gutachter nutzen automatisierte und sogar kostenlose Systeme zur Immobilienbewertung.

Bischoff (Zitat): „Die alte (Bauern-) Weisheit „Was nichts kostet, kann auch nichts“, trifft hier hundertprozentig zu.“

Dabei sind doch nur die öffentlich bestellten Gutachter die einzig „wahren“ Bewerter, die, die Herrscher über handgeschriebenen Zahlenwelten sind. Digitale Systeme, Big Data, Regressionsanalyse oder gar künstliche Intelligenz sind grundsätzlich abzulehnen. Das weiß man beim BVS spätestens seit 1996, als der Schachweltmeister Gari Kasparow vom Schachcomputer „Depp Blue“ besiegt wurde.

Dabei hat der Hass auf die digitale Welt beim BVS und den angeschlossenen IHK´s in Sachsen und Deutschland eine lange Tradition. So werden Benutzer von zeitgemäßer Wertermittlungssoftware wie „Sprengnetter Prosa“ schon seit vielen Jahren verunglimpft oder gar in den Verfahren zur „öffentlichen Bestellung“ benachteiligt (OLG Bautzen 4 K 856/07). Umso mehr freue ich mich, dass ich seit einigen Jahren im Programmbeirat dieser tollen Software aktiv an deren Weiterentwicklung mitarbeiten darf.

Man sollte sich auch einfach mal die Webseiten der Protagonisten des BVS anschauen. Viel Modernes oder gar Digitales gibt es da nicht. Manch eine Webseite von BVS-Mitgliedern wirkt, wie aus längst vergangenen Zeiten. Fortschrittliche Technologien wie Autoresponder, E-Books, elektronische Zahlungssysteme, Online-Terminvereinbarung etc. sind bei den Mitgliedern des BVS überwiegend nicht zu finden. Manche Mitglieder haben noch nicht einmal eine Webseite.

Wie sehr technikafin der BVS allgemein ist, zeigt sich auch daran, dass der BVS Sachsen im Jahr 27 nach der Einführung der Digitalfotografie (1991 stellte die kalifornische Firma Dycam die erste Digitalcamera auf der Cebit vor) endlich ein Seminar dazu anbietet. Im April 2018 wurde im Rahmen der Mitgliederversammlung des BVS Sachsen in Chemnitz der Vortrag „Digitalfotografie für Sachverständige (Basics)“ gehalten. Das war wirklich innovativ.

Ich teile da gern die Auffassung von Marc Stilke (früher CEO Immobilienscout24, heute Geschäftsführer Sprengnetter Immobilienbewertung), der sagt, dass es ohne Digitalisierung gerade auch im Sachverständigenbereich in den nächsten Jahren wirtschaftlich eng wird:

YouTube Video

Wir sind in Sachen Digitalisierung und meiner Webseite ganz gut aufgestellt und werden in den nächsten Monaten weitere große Schritte gehen. Die kostenlose automatisierte Wertermittlung finden Sie bei mir auf der Webseite bereits. Aber auch zu anderen digitalen Themen bin ich auf der Höhe der Zeit, denn „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.„.

In diesem Sinne wünsche ich ein schönes Wochenende!

Viele Grüße vom digitalen Sachverständigenschreibtisch

Euer

Lutz Schneider

PS: Der BVS bietet dann unten in seiner Pressemitteilung auch gleich noch „kostenlose Checklisten“ an. Ob für diese BVS-Checklisten auch das oben genannte Zitat „Was nichts kostet, kann auch nichts“ von Herrn Bischoff gilt?

PSS: Der BVS hat einen gleichlautenden Artikel auch in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht. Lustigerweise wird dort genau auf dieser Seite für kostenlose Immobilienbewertung geworben.

 

Unsere qualifizierten Produkte der Immobilienbewertung


Was Sie auch noch interessieren könnte...